Nachdem das eigentliche Werkstattverfahren mit Verzögerung zum Abschluss gebracht wurde, war seitens der Stadt als nächster Schritt die Bürgerbefragung vorzubereiten. Aus den Beratungen waren vier mögliche Schwimmbadvarianten hervorgegangen:
Diese auf den vorangegangenen Analysen basierende Auswahl zeigt, welche gesamtstädtische Bedeutung dem Standort Brauhausberg zukommt, insbesondere wegen der größeren Gestaltungsmöglichkeiten. Zu der Frage nach den einzelnen Schwimmbadkonzepten gesellte sich nun also die mindestens genauso wichtige Frage nach dem optimalen Standort. Die Ausarbeitung der konkreten Fragestellung war ursprünglich ein erklärtes Ziel innerhalb des Workshops, auch, um ein Fiasko wie seinerzeit bei der Abstimmung zum Stadtschloss zu vermeiden. Weil es dazu aus Zeitgründen nicht mehr kam, wurde ein entsprechender Entwurf durch die gewählten Vertreter der Arbeitsgruppen erarbeitet und an die Stadtverwaltung weitergeleitet. Er sah eine zweistufige Befragung vor. Stufe 1 war die Frage nach dem bevorzugten Standort: BUGA-Park, Brauhausberg oder beide. Stufe 2 stellte dann jeweils die entsprechenden Varianten zur Wahl.
Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg
Das Vorgehen der Stadtverwaltung bei der Erarbeitung des eigenen Fragebogens ließ erneut Zweifel an einer neutralen Haltung aufkeimen. Ohne dem Vorschlag der Arbeitsgruppen erkennbar Aufmerksamkeit geschenkt zu haben, wurde in einer halböffentlichen Feedback-Runde die erste eigene Version vorgestellt. Sie enthielt noch pflichtgemäß alle vier Varianten aus dem Werkstattverfahren. In dem dazugehörenden Informationsblatt, intern »Beipackzettel« genannt, wurden konkrete Aussagen zur funktionalen Ausgestaltung sowie zu den veranschlagten Investitionskosten und den zu erwartenden jährlichen Zuschüssen aus dem Stadthaushalt an die Stadtwerke als Betreiber getroffen. Dabei muss erwähnt werden, dass diese zu keiner Zeit die Grundlagen ihrer Kostenermittlungen offenlegten und sich frühere Schätzungen immer wieder als nicht belastbar erwiesen hatten. Da nun dieser noch unabgestimmte Vorentwurf parallel auch an die Presse weitergegeben wurde, hatten die kritischen Hinweise aus der Runde der Teilnehmer am Werkstattverfahren in der Feedback-Runde keine besondere Bedeutung mehr. Das war aber nicht weiter schlimm, denn zur Teilnahme konnten sich ohnehin nur noch ganze acht von ihnen überwinden! Dafür änderte sich die öffentliche Meinung erheblich. In einer nicht repräsentativen Zeitungsumfrage war zunächst die Variante mit zwei Standorten klarer Favorit. Bei Veröffentlichung der kalkulierten Kosten zog die Variante BUGA-Park rasch nach und beide Optionen waren nun gleichauf. In der Folge beriet der Hauptausschuss der Stadtverordnetenversammlung über besagten ersten Entwurf mit den vier Varianten. Nach intensiven Diskussionen wurde mit knapper Mehrheit entschieden, die Zwei-Standort-Variante aus der Liste zu streichen. Als einziges Argument nannte man die zu erwartenden Kosten, die der »Beipackzettel« im Vergleich als am höchsten angesetzt hatte und die eine »verantwortungsvolle Politik« der Stadt nicht zumuten könne. Alle übrigen Bewertungskriterien waren hierbei ohne Belang. Damit schied wie zufällig die schärfste Konkurrenz für den von der Rathausspitze bevorzugten BUGA-Park aus dem Rennen.
In den nächsten zwei Wochen bis zur entscheidenden Sitzung der Stadtverordneten schwankten die Meinungen der Parteien und Fraktionen. Wie würde die Fragestellung dem Werkstattergebnis am ehesten gerecht werden? Mit drei oder zwei Varianten auf dem Stimmzettel? Und würde bei einer Standortentscheidung eine Variante davon profitieren, dass sich die beiden anderen gegenseitig Stimmen wegnehmen? Auf Hinweis der Fraktion »Die Andere« musste die Rathausspitze erkennen, dass nach geltendem Recht für Bürgerbefragungen nur Fragestellungen erlaubt sind, die mit Ja oder Nein beantwortet werden können. Dieser Umstand hatte erhebliche Folgen. Den Anhängern einer zweistufigen Lösung (Die Linke, Die Andere, Bürgerbündnis) blieb theoretisch nur noch die Möglichkeit, zwei getrennte Bürgerbefragungen durchzuführen. Eine Erste würde den Standort ermitteln und eine Zweite die für den Sieger in Frage kommenden Varianten zur Wahl stellen. Der enge Zeitplan und das schon arg strapazierte Haushaltsbudget ließen das aber nicht zu (Die Dauer des Werkstattverfahrens und der Bürgerbefragung wird sich inzwischen um einen ganzen Monat verlängern, und die Kosten liegen offiziell geschätzt bei 245.000€). Um also in einer einzigen Befragung den rechtlichen Vorgaben zu entsprechen und zugleich ein statistisch verwertbares Ergebnis zu erzielen, verständigten sich die Parteien der Rathauskooperation (SPD, CDU/ANW, FDP, Grüne) intern auf jenen Entwurf, der die beiden identischen und damit vergleichbaren Neubauvarianten gegenüberstellt. Auf diese Weise, so die Meinung, erhielte man eine eindeutige Aussage zum bevorzugten Standort und sichere zugleich, dass in jedem Fall die für Potsdam optimale Lösung, nämlich ein kompakter Neubau, erzielt würde.
Niemand ist zufrieden und alle machen das Beste daraus
Dass die Potsdamer jetzt nur noch ganz platt nach ihrem bevorzugten Schwimmbadstandort gefragt werden, sagt wohl viel aus über die Mühlen des Alltags und das politische Klima in der Stadt. Jene vielschichtigen Bewertungen, die die Werkstattteilnehmer in wochenlangen zähen Diskussionen vorgenommen haben, müssen alle anderen Befragten wieder jeweils für sich allein und aus dem Bauch heraus vornehmen. Der Fragebogen und sein »Beipackzettel« treffen dazu keine Aussagen. Ob eher ein großes oder zwei kleinere Bäder den Bedürfnissen der Bevölkerung entsprechen, wird sich in diesem Rahmen nicht mehr ermitteln lassen. Und mit der Beschränkung auf die Variante Neubau spielen andere denkbare Konzepte nun auch keine Rolle mehr. Gleiches gilt für das Thema Baukultur (Die Sanierung der Schwimmhalle am Brauhausberg kam immerhin auf Platz 2 bei der Abstimmung zum aktuellen Bürgerhaushalt). Wie sich der Stimmung in der Stadtverordnetenversammlung entnehmen ließ, ist niemand so recht zufrieden mit diesem Ergebnis, nicht die Verwaltungsspitze, nicht die Rathauskooperation und am wenigsten naturgemäß die Opposition. Den einen ist der Favoritenstatus ihrer Vorzugsvariante verloren gegangen, den anderen die Hoffnung auf eine glaubwürdige, weil tatsächlich aussagekräftige Bürgerbefragung. Nach Auffassung des Oberbürgermeisters war nach dem Aus für das Niemeyerbad die Möglichkeit eines Neubaus am Brauhausberg nicht mehr denkbar (vor allem wohl für ihn selbst). Dass dies inzwischen eine realistische Option darstelle, sei ein wesentlicher Erfolg der intensiven Diskussionen! Damit wäre dann wohl auch der immense zeitliche und finanzielle Aufwand gerechtfertigt.
Ganz so erwartbar, wie zunächst prognostiziert, ist das Ergebnis der Bürgerbefragung inzwischen allerdings nicht mehr. Denn Mangels konkurrierender Konzepte für den Brauhausberg wird es nun faktisch eine Kampfabstimmung zwischen zwei Standorten geben. Und damit direkt verbunden ist ein Urteil zu der bislang im Rathaus verfolgten Planungsstrategie. In den letzten Tagen hat zudem ein Bündnis aus Bürgerinitiativen, Vereinen und anderen gesellschaftlichen Gruppen damit begonnen, aktiv »Wahlkampf« für den Standort Brauhausberg zu machen. Diese Möglichkeit bleibt der Stadtpolitik bei ihrem Favoriten BUGA-Park verwehrt, schließlich widerspräche das dem gefassten Grundsatz von Neutralität und Ergebnisoffenheit.
von Gunnar Tessin
Lesen Sie dazu…
Teil 4: Die Bürgerbefragung und ihre Folgen